01.01.2023 | Revidiertes Erbrecht

Das revidierte Erbrecht - in Kraft seit dem 1. Januar 2023

Die Revision des Erbrechts trägt den geänderten Lebensumständen und Konstellationen der gemeinsamen Lebensführung Rechnung und modernisiert die Anforderungen an die Verteilung der Erbschaft. Die neuen Vorschriften führen etwa dazu, dass der Verfügungsspielraum des Erblassers erheblich erweitert wird, aber auch dazu, dass bestimmte Personenkreise von Erben nunmehr benachteiligt oder leichter begünstigt werden können. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass das neue Erbrecht auf Erbfälle ab dem 1. Januar 2023 Anwendung findet, unabhängig davon, ob ein Testament oder ein Erbvertrag bereits früher verfasst wurde.

Die Pflichtteile der Erben ändern sich ab 1. Januar 2023 wie folgt:

  • Die Eltern (der Mutter und/oder dem Vater) der erblassenden Person haben keinen Pflichtteil mehr. Dieser Pflichtteilwegfall ist nur relevant, wenn der Erblasser keine Nachkommen hat.
  • Die Nachkommen des Erblassers haben einen Pflichtteil von nur noch der Hälfte (50%) der Erbschaft.
  • Der Pflichtteil des überlebenden Ehegatten oder eingetragenen Partners beträgt auch im neuen Erbrecht die Hälfte (50%) der Erbschaft.

Zu beachten ist weiter, dass seit dem 1. Januar 2023 der Pflichtteil von Ehegatten oder eingetragenen Partnern mit hängigem Scheidungs- oder Auflösungsverfahren auf gemeinsames Begehren oder auf Klage nach zweijährigem Getrenntleben wegfällt. Das bedeutet, dass der bereits in Scheidung oder Auflösung stehende Ehepartner oder eingetragene Partner mit einfachem Testament vollumfänglich enterbt werden kann.

Der Erblasser kann unabhängig davon, wie er mit dem verfügbaren Teil der Erbschaft umgeht, der überlebenden Ehegattin bzw. – neu ausdrücklich auch – der eingetragenen Partnerin die Nutzniessung am ganzen Teil der Erbschaft zuwenden, der den gemeinsamen Nachkommen zufällt. Die neben der Nutzniessung frei verfügbare Quote beträgt neu die Hälfte (50%) des Nachlasses. So kann der Erblasser seiner überlebenden Ehegattin 50% der Erbschaft zu Eigentum und die anderen 50% zur Nutzniessung zuwenden, wobei die gemeinsamen Nachkommen das nackte Eigentum an diesen 50% erhalten. Die überlebende Ehegattin kann auf die Nutzniessung verzichten und ihren Pflichtteil zu vollem Eigentum verlangen oder die Nutzniessung akzeptieren und damit auf ihren Pflichtteil verzichten.

Die Änderungen der Pflichtteile führen dazu, dass die Frei verfügbare Quote steigt und der Erblasser neue Möglichkeiten hat, die nunmehr höhere freie Quote zuzuteilen.

In Bezug auf Erbverträge gilt es zu berücksichtigen: Die erbvertraglichen Vereinbarungen sind bindend. Schenkungen (nicht aber übliche Gelegenheitsgeschenke) können angefochten werden, wenn sie

  • erstens mit den Verpflichtungen aus dem Erbvertrag nicht vereinbar (d.h. die erbvertraglich zugesicherten Begünstigungen verringern)
  • und zweitens im Erbvertrag nicht vorbehalten worden sind.

Die Neugestaltung der Pflichtteile und der Nutzniessung sowie die gestiegene freie Quote machen ggfs. eine Änderung bereits getroffener erbvertraglicher Regelungen oder den Abschluss eines erst neuen Erbvertrags erforderlich, um den Willen des Erblassers bestmöglich zu wahren.

Leistungen aus der Gebundene Selbstsvorsorge (Säule 3a) fallen mit Ableben des Vorsorgenehmers nicht in seinen Nachlass und werden nicht in der Erbteilung berücksichtigt. Da Leistungen aus der Säule 3a direkt in des Vermögen der begünstigten Person gelangen, gelten sie als Zuwendungen unter Lebenden und werden für die Berechnung der Pflichtteile zum Vermögen des Erblassers hinzugerechnet und bei der Herabsetzung berücksichtigt (siehe unten Ziff. 8).

Die in einem Ehevertrag (bzw. Vermögensvertrag – im Fall einer eingetragenen Lebenspartnerschaft mit Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung) vereinbarte Begünstigung durch Zuweisung eines Vorschlags gilt neu als eine Zuwendung unter Lebenden. Nach revidiertem Erbrecht können die Ehegatten in einem Ehevertrag (die eingetragenen Lebenspartner in einem Vermögensvertrag) vereinbaren, sich gegenseitig mehr als die Hälfte bis hin zum gesamten Vorschlag, d.h. bis zur ganzen Errungenschaft des anderen zuzuweisen. Abhängig davon, ob es gemeinsame Nachkommen gibt oder die Nachkommen keine gemeinsamen sind, wird die überhälftige Vorschlagszuweisung bei der Berechnung der Pflichtteile der Nachkommen nicht oder doch berücksichtigt. Wie mit der Vorschlagszuweisung bei Wiederheirat (bzw. erneuter Begründung einer Lebenspartnerschaft) zu verfahren ist, regelt das Gesetz nicht. Dies ist – sofern gewollt – ehevertraglich zu vereinbaren.

Erben, die nicht ihren Pflichtteil dem Werte nach erhalten, können die Herabsetzung der Verfügung auf das erlaubte Mass – bis der Pflichtteil hergestellt ist – verlangen. Die herabsetzungsfähigen Gegenstände werden neu erweitert und wird die Reihenfolge der Herabsetzung präzisiert.

Mit Blick auf die neuen Regelungen im Erbrecht empfehlen wir die rechtliche Überprüfung  bereits getroffener Verfügungen von Todes wegen (letztwillige Verfügungen, Erbverträge) und geschlossener Eheverträge. Besonders wegen der geänderten Pflichtteile, Nutzniessung und freien Quote ist es ratsam, bestehende Lösungen für die Erbverteilung nochmals durchzudenken und ggfs. zu justieren.